Nachdem ich im ersten Teil unsere Ankunft in Kanada dargestellt habe, http://62.113.204.250/index.php/reisen/2017/leben-und-arbeiten-in-kanada-1/
im zweiten Teil das anfängliche Leben im neuen Land, http://62.113.204.250/index.php/reisen/2017/leben-und-arbeiten-in-kanada-2/
will ich im dritten Teil unsere Jobsituation und das Arbeiten in Kanada generell beleuchten.
Die Firma die mich beschäftigte befand sich im Osten von Toronto, etwa 10 km von unserem Haus entfernt, also in idealer Fahrraddistanz. Der Weg führte zum allergrößten Teil am Lake Ontario entlang, einem reinen Fußgänger/ Fahrradweg. Solange kein Schnee lag bin ich meistens mit dem Fahrrad zur Arbeit gefahren. Obwohl viele Arbeitskollegen nahe unseres Hauses wohnten, waren ein anderer Deutscher und ich die einzigen, die bevorzugt per Fahrrad zur Arbeit kamen. Die Kanadier selbst erledigen aus Bequemlichkeit selbst kleinste Wege per Auto und viele Einwanderer aus asiatischen Ländern fanden wohl das Fahrradfahren unter ihrer Würde. Die Firma beschäftigte etwa 60 Angestellte, von denen nur 5 in Kanada geboren waren. Der Rest war eingewandert, die meisten Beschäftigten kamen aus asiatischen Ländern, vornehmlich Indien und China.
Interessant zu sehen, dass Berufseinsteiger nur 10 Tage Urlaub pro Jahr bekommen, die mit der Länge der Beschäftigung auf bis zu 20 Tage steigen können. Glücklicherweise hatte ich bei den Vertragsverhandlungen gleich auf 20 Tagen bestanden. Eine andere Besonderheit sind auch die Lohnzahlungen, die in Kanada üblicherweise im Zweiwochenrythmus erfolgen. Das scheint eher traditionelle Gründe zu haben, ist aber durchaus angenehm.
Das Arbeitsklima ist sehr relaxed, es wird zwar mehr als die vorgeschriebenen acht Stunden pro Tag gearbeitet, aber viele Mitarbeiter verwenden viel Zeit von Büro zu Büro zu wandern und andere Mitarbeiter in Gespräche zu verwickeln. Das vereinfacht soziale Kontakte und man lernt viel über Land und Leute, bedeutet aber auch, daß die liegengebliebene Arbeit am Abend nachgeholt werden muss.
Der Chef der Firma hatte eine sehr soziale Ader und veranstaltete zwei Mal pro Jahr Mitarbeitertreffen, bei denen ausdrücklich auch nahe Verwandte und Freunde eingeladen waren. Im Sommer war das ein Grillfest in einem der angrenzenden Parks und vor Weihnachten eine Veranstaltung bei der alle Kinder der Beschäftigten individuell beschenkt wurden und eine Tombola, bei der Geschenke von Geschäftsfreunden und Zulieferern verlost wurden. Innerhalb meiner Beschäftigungszeit hatte ich so drei Kaffeemaschinen gewonnen. Beim ersten Sommergrillen wollte ich etwas Gutes tun und brachte eine Kühlbox voller Bierflaschen mit. Das ist zwar bei den Mitarbeitern gut angekommen, brachte aber einen Parkwächter in Rage, der und darauf hinwies, dass der Konsum von Alkohol in öffentlichen Parks verboten ist. Kurzerhand wurde das Bier in leere Limonadenflaschen umgefüllt und weitergetrunken, ohne dass sich jemand beschwerte.
Eine weitere interessante Angewohnheiten waren die monatlichen ‚Pot Luck Lunches‘. Hierbei bringt jeder Mitarbeiter ein Gericht seiner Wahl mit. Von den Gerichten kann sich dann jeder nach Belieben bedienen und wegen der kulturellen Diversität der Mitarbeiter bekommt man so viele verschiedene Geschmacksrichtungen zu kosten, eine chinesische Spezialität scheint Hühnchen in Colasoße zu sein.
Abhängig von der Höhe des Gehalts werden Steuern fällig, welche wie überall üblich noch vor der Überweisung direkt abgezogen werden. Bis zu $10.000 pro Jahr zahlt man keine Steuern, danach wird in Stufen bis zu 40% abgezogen. Neben den Steuern werden noch Beiträge zur Rente und Arbeitslosenversicherung abgezogen, am Ende bekam ich etwa 60% des Bruttogehaltes ausgezahlt. Krankenversicherung wird wie im letzten Beitrag dargestellt vom Staat bezahlt, ärztliche Behandlungskosten und Krankenhauskosten werden direkt übernommen. Allerdings sind Medikamente und Zahnarztkosten normalerweise selbst zu bezahlen. Der soziale Arbeitgeber hatte allerdings eine zusätzliche Krankenversicherung für seine Mitarbeiter abgeschlossen, die die Medikamentenkosten übernahm und Zahnarztkosten, die allerdings bei $2.000 pro Jahr gedeckelt waren.
Die jährliche Steuererklärung war in der Regel einfach, da sich eh nichts absetzen ließ. Einzige Ausnahme war der RRSP (Registered Retirement Savings Plan). Auf dieses Konto konnte man maximal etwa 20% seine Jahresgehaltes einzahlen und das Einkommen, welches zur Steuerberechnung benutzt wurde, wurde um diesen Betrag gekürzt, i.e. jedes Jahr gab es da signifikante Rückzahlungen. Die Idee dahinter ist, dass man in der Lebensphase wo man viel verdient und hohe Steuern zahlen muss, spart, um das Geld in der Lebensphase mit niedrigerem Einkommen (Rente) wieder rauszieht und erst dann als Einkommen versteuert. Zusätzlich gibt es noch den Tax Free Savings Account, i.e. ein Konto, wo man versteuertes Geld einzahlt, dort kann man in alle möglichen Sparformen investieren, Sparkonto, Aktien, Fonds, ETFs,… und den Gewinn jederzeit wieder abziehen ohne Steuern auf den Gewinn zu zahlen. In dieses Konto darf man allerdings nur maximal $5000 einzahlen für jedes Lebensjahr, dass man über 18 Jahre alt ist (und in Kanada gelebt hat,…).
Meiner Frau war es mit der Zeit langweilig geworden alleine zu Hause zu hocken und sie suchte eine Beschäftigung. Da sie allerdings nur Teilzeit arbeiten wollte, waren die Möglichkeiten begrenzt, sie verdingte sich als Schulbusfahrer für eines dieser gelben Ungetüme. Das warf zwar wenig Geld ab, machte ihr aber Spaß und war letztlich ein Dienst für die Gemeinschaft.
Das mittlere Einkommen pro Familie in Kanada ist ’nur‘ $70.000, i.e. beide Elternteile arbeiten. Meiner Meinung nach waren die Lebenshaltungskosten mit wenigen Ausnahmen in Kanada aber wesentlich teurer als in Deutschland und mich wunderte es wie die Leute mit so wenig Geld zurecht kamen.
Im nächsten Kapitel werde ich beschreiben wie der Hausmarkt in Kanada funktioniert und wie wir ein eigenes Haus fanden.
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